Die Westerschelde zeigte bei meiner ersten Fahrt in ihrem Gewässer all ihre zur Verfügung stehende gewaltige Macht. Die Überraschung des Tages jedoch waren weder Wind, Welle, Strömung, Wasser in der Bilge, Küstenwache im Rettungsmodus noch riesige Containerschiffe. Von oben kam unerwartet nichts Gutes...
Wir liegen geschützt und trocken bei strahlender Oktobersommersonne in Middelburg. Nach Benutzung der örtlichen Bootswaschutensilien hat sich mein Blutdruck auch langsam wieder dem Normalpegel angenähert.
Wir sind heute um 03:00 Uhr morgens von Yerseke aus zu einem Ritt über die Westerschelde mit Ziel Breskens gestartet. Laut den seit Tagen verfolgten Wetterberichten sollte es durchaus kräftig mit 5-6 Beauford wehen, aber von Sturmböen bis in den Bereich von 7 Beauford war nichts zu lesen ... meine Antrittsfahrt auf der Westerschelde war ein Sturmritt erster Güte.
Nach einer reibungslosen Fahrt ohne jegliche Wartezeiten durch den Kanaal door Zuid Beveland waren wir entgegen unserer Planung zu früh durch die Schleuse in Hansweert.
Wir wurden bei zunehmendem Wind gegen anlaufende Welle kräftigst durchgeschüttelt, unsere Crecérelle hat sich tapfer im Tanz mit den Elementen bewährt und ich spreche ein Hoch auf das Centercockpit aus.
Da wir jedoch nicht noch drei weitere Stunden bis Breskens Schiffs-Rodeo spielen wollten, sind wir gemäß vorhandenem Plan B Richtung Vlissingen abgedreht und werden die nächsten Tage das historische Städtchen namens Middelburg erkunden.
In der Schleuse in Vlissingen konnte ich erst einmal durchatmen, denn Strömung gegen Wind plus andampfende Containerriesen mit Hochhausausmaßen ergeben zu viel Aufregung für ein früh aufgestandenes, nicht mehr ganz taufrisches weibliches Wesen. Die erhoffte Atempause dauerte allerdings nur kurz an.
Vor Fahrtantritt hatte ich das Boot in Yerseke noch einmal picobello von jeglichem Grünspan gesäubert und nun bewarf ein am oberen Rand heran fahrender Mähtraktor das ganze Boot mit Gras, das natürlich nachdem wir bereits einige Minuten fest lagen.
Es war wohl unaufschiebbar, dass exakt der Grünstreifen am Schleusen-kammerrand bearbeiten werden musste - es regnete, nein es schüttete gehäckseltes Gras von oben herab 😡.
Jeder Meter Boot war begrünt - von Bug bis Heck, von steuerbord nach backbord, inklusive der fluchenden weiblichen Besatzung im Cockpit! Unser Mast war ja von oben so gar nicht zu sehen, Flucht - in einer engen Schleusenkammer - unmöglich! Offenbar mochte der Rasentrimmer keine Boote bzw. keine Segler oder heute war sein schlechter Tag, an dem er mit dem falschen Gasfuß aus dem Bett fiel - anders ist so eine unnötige Aktion nicht zu erklären. Zur Krönung kam das rasenmullspuckende Ungeheuer prompt nochmals im Rückwärtsgang vorbei, um meinen Protest zur Kenntnis zu nehmen. Danke auch dafür🤬
Ich wäre fast den Mast hoch um den Kerl zu erwürgen und ihn danach durch seinen Mähtraktor zu schreddern ...wäre ich nicht so kaputt von den vergangenen Stunden gewesen. In meiner Vorstellung jedoch vermittelte das Würge- und Schredderszenario eine passende Wutkompensation nach der Zerstörung eines ganzen Tages weiblicher, urlaubsvorfreudiger Schrubbwut und Zahnbürstenputzakrobatik.
PS 1: Die Knöpfe am Schapp der Panty sind zum Verschließen gedacht. Unser Boot duftet jetzt innen lekker nach dem verstreuten Curry, das mit dem Großteil der restlichen Vorratsschrankausstattung seine Freude am springenden Boot verkünden wollte und sich aus den beengten Verhältnissen im Küchenschrank nach draussen gebombt hat.
PS 2 : Die niederländische Küstenwache hat uns ein Stück begleitet...entweder konnten sie nicht glauben, dass da ein kleiner Segler unterwegs war nach dem Motto: "Die spinnen wohl?" Eventuell war es vielleicht auch berufsbedingtes Pflichtgefühl oder sie haben sich wohl echte Sorgen gemacht, dass wir in dem Wetter in ernste Schieflage kommen könnten. Nur frage ich mich, warum der freundliche Mann versucht hat bei dem heulenden Wind mit uns von Reling zu Reling zu kommunizieren. Der offizielle Blockkanal für den Funkverkehr hätte gleich funktioniert, der war bei uns eingestellt und empfangsbereit.
Nach einem kurzen Funkaustausch fuhren wir am roten Tonnenstrich entlang weiter unseren Kurs. Ich habe zugegebenermaßen kurz neidisch sinniert, dass es die Mannschaft auf dem großen Polizeiboot jetzt warm und bequem hat.
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